Wie alle Geschichten aus der guten alten Zeit fängt dieser Beitrag mit „Es war einmal“ an.
Es war einmal eine Zeit, da war der Orientierungssport und der Rallyesport eng miteinander verwoben. Die Fahrer gingen mit entsprechend vorbereiteten Fahrzeugen an den Start. Die Orientierung fand vorwiegend nachts in Weinbergen, in finsteren Wäldern oder auf schmierigen Wiesenwegen statt. Die Schnitte waren hoch, vierzig besetzte Kontrollen auf 20 km OE taten ihr übriges und wenn der Veranstalter meinte, dass dies alles nicht reichte, dann wurden die Uhren noch entsprechend verstellt. Es kam also in erster Linie drauf an, kräftig Gas zu geben und dabei noch die Orientierungsaufgaben zu lösen.
Es war eine tolle Zeit und die Erinnerung daran, als einziger eine knallharte OE in Weingarten oder im Fürther Wald mit null Fehlern in der Sollzeit geschafft zu haben, macht auch jetzt noch ein bisschen stolz. Aber 1983 hatte die ONS das Reglement geändert und der Orientierungssport war mit einem Male tot. Nach langen Jahren hat sich inzwischen aus einem zarten Pflänzchen wieder eine ganz ordentliche Szene entwickelt. Aber wir leben heute in einem anderen Jahrtausend und die Veranstaltungen finden mit serienmäßigen Autos vorwiegend bei Tageslicht, auf öffentlichen Straßen oder auf von Spaziergängern bevölkerten Wanderwegen statt. Dass bei einer solchen Veranstaltung eine Entscheidung alleine durch die Zeitwertung fällt, ist eigentlich undenkbar und passt überhaupt nicht in die Zeit.
Vor 14 Tagen habe ich in einem Forumsbeitrag zum Thema "Was wollen Anfänger" darauf aufmerksam gemacht, dass die Veranstalter im Ori-Südwestpokal von der Veranstaltergemeinschaft eine Zeitwertung vorgegeben bekommen, die im krassen Gegensatz zum oben gesagten steht, nämlich dass der, der nahe an die Karenz kommt, um jede Minute kämpfen muss, weil dann nur noch die Zeit zählt und richtig angefahrenen Kontrollen gar nichts mehr. Der eigentliche Zweck, nämlich richtig zu orientieren, tritt dann total in den Hintergrund und nur noch der Gasfuß entscheidet. Ich bin mit diesem Beitrag auf wenig Verständnis gestoßen. Allein die Tatsache, dass bisher kein Teilnehmer diesen Sachverhalt in einem Fragebogen zu Papier gebracht hatte, hatte ausgereicht, sich nicht weiter mit diesem Thema beschäftigen zu wollen. Mit etwas mehr Phantasie hätte man sich allerdings schon das Szenario vorstellen können, das am vergangenen Samstag Wirklichkeit wurde.
Damit komme ich nach langer Einleitung zu der Veranstaltung „Odenwald-Explorer“ vom MSC Lindenfels. Zum Glück hatten bei dieser Veranstaltung vorwiegend erfahrene Teams teilgenommen, denn ein Nachwuchsteam hätte mit Sicherheit keinen Fragebogen mehr ausgefüllt. Ich wage sogar zu behaupten, dass dieses Nachwuchsteam in seinem Leben auch nie mehr ein Nennungsformular ausgefüllt hätte. Denn den beiden sehr interessant geschriebenen Berichten zu dieser Veranstaltung war zu entnehmen, dass selbst Spitzenteams nur dann eine Chance hatten, wenn sie gnadenlos Gas gegeben hatten und dann noch aufgrund langjähriger Erfahrung und Ortskenntnis wussten, welche Steckenteile man auslassen konnte, um die Sollzeit zu schaffen oder zumindest innerhalb der Karenz ins Ziel zu kommen.
Aus eigenem Erleben gab es für die Zeitnot der Teilnehmer drei Gründe.
1.) Erstens hat sicher der Veranstalter den einen oder anderen Fehler gemacht, der den Teilnehmer viel Zeit gekostet hat. In einem der Berichte hier auf der Website wurden diese ja auch ausführlichst dokumentiert. Um die Fairness zu wahren, sollte aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass Fahrleiter Michael Daab durch einen Klinikaufenthalt kurz vor der Veranstaltung in der Vorbereitung der Fahrt erheblich zurückgeworfen wurde. Dafür sollte jeder auch noch so kritisch eingestellte Teilnehmer Verständnis zeigen. Allgemein ist festzustellen, dass mit Fehlern des Veranstalters immer zu rechnen ist. Das Niveau einzelner OSWP-Veranstaltungen ist ausgesprochen hoch. Diese kann man jedoch nicht als Maßstab für alle nehmen. So wie es unter den Teilnehmern eine A-Klasse und B-Klasse gibt, so muss man dies auch den Veranstaltern zugestehen. Es sei daran erinnert, dass das Veranstalterteam als Teilnehmer schließlich auch in der B-Klasse fährt und insofern noch in der Lernphase ist. Unter diesen Gesichtspunkten war es eine ganz ordentliche Veranstaltung. Ich bin jedenfalls in der Vergangenheit schon wesentlich schlechtere Fahrten gefahren. Und ich bin auch schon bessere Fahrten gefahren, die auch nicht fehlerfrei waren. Ich persönlich rechne bei den unerfahreneren Veranstaltern mit Fehlern und ärgere mich viel mehr über Fehler bei den besseren Veranstaltungen, weil ich sie dort nicht erwarte.
2.) Dann hat zum anderen auch das extreme Wetter mit umgefallenen Bäumen und diversen Blockaden der Feuerwehr ein weiteres dazu beigetragen. Das Wetter ist ein nicht einkalkulierbarer Faktor, aber der Veranstalter sollte in der Lage sein, auf solche Ereignisse angemessen zu reagieren. Michael Daab wollte darauf reagieren, indem er am Ziel die strafpunktfreie Fahrzeit sowie die Karenz erhöhen wollte. Eigentlich eine aufgrund der am Samstag vorliegenden außergewöhnlichen Bedingungen weise und richtige Entscheidung. Doch da hätte man sich mal das Geschrei der Teilnehmer anhören sollen, die ihre Felle haben davon schwimmen sehen, weil sie die Zeitwertung gegenüber den Kontrollen favorisiert hatten und vorzeitig das Ziel angefahren sind. Um es noch mal deutlich zu sagen, sie haben nicht abgebrochen, um in der Karenz zu bleiben, sondern sie haben abgebrochen, um keine Karenz in Anspruch zu nehmen. Da muss man sich fragen, welchen Sinn dann eine Karenz überhaupt hat! Übrigens wie so oft im Leben, wer laut schreit, bekommt recht. Also wurde hier eine Chance, in der richtigen Weise zu reagieren, verpasst.
3.) Und sicher -so kann ich zumindest für mich persönlich feststellen- hatte auch eigene Blödheit einen Anteil an weiteren Zeitverlusten.
Zusammenfassend ist meines Erachtens festzustellen, dass trotz aller Kritik, die der Veranstalter im Laufe des Abends und hier auf der Website zu hören bekam, Michael Daab und sein Team nicht die Hauptschuld an der irregulär verlaufenen Veranstaltung tragen. So richtig kaputt gemacht wurde die Veranstaltung zum einen durch die von der Veranstalterserie vorgeschriebene unflexible Beschränkung der Karenz auf 30 Minuten und noch mehr durch die total unsinnige Bewertung der Minute Verspätung mit der Punktzahl einer halben Kontrolle. Ohne dieses starre Reglement wären alle von wem auch immer verursachten Zeitverluste locker wegzustecken gewesen. Keiner hätte abbrechen müssen und der, der richtig orientiert hatte, wäre auch entsprechend belohnt worden. Und dies ist noch nicht mal aus dem Blickwinkel eines Anfängerteams gesehen. Für die gilt es noch um ein vielfaches mehr.
Was uns persönlich betrifft, sind wir, nachdem klar wurde, dass es auf die Kontrollen doch nicht mehr ankommt, die Fahrt locker zu Ende gefahren und haben so etliche Minuten und damit massig Strafpunkte gefangen. Fahrer und Fahrzeug wären zwar zu einer deutlich schnelleren Gangart in der Lage gewesen, aber diese Erlebnisse hatten wir vor mehr als zwanzig Jahren zur Genüge gehabt. Die brauchen wir heute nicht mehr.